Das Gesundheitswesen in Könnern
im Verlauf der Geschichte der Stadt
Bahnhofstraße mit Blick auf die Villa des Kommerzienrates Meyer
Nicht nur Feuer und Schwert hielten reiche Ernte in Könnern, sondern auch Seuchen dezimierten vielfach die Zahl der Einwohner. Mehrmals suchte die Pest Könnern heim, so 1475, dann in den Jahren von 1570 bis 1581, am mörderischsten 1611, wo etwa 700 Einwohner dahin gerafft wurden, und zum letzten Male 1660 bis 1683.
Nicht lange nach der 1536 still in Könnern vollzogenen Reformation richtete der Rat der Stadt eine Diakoniestelle ein über die ihm bis Anfang 20. Jahrhundert das Patronat zustand.
Schon 1540 wird ein Hospital vor dem Bernburger Tor erwähnt, von dessen Existenz die Bezeichnung Hospitaltor abgeleitet wurde und die um 1600 genannte Hospitalstraße (heutige Walter-Rathenau- Straße) ihren Namen bekam.
Wie damals überall wurde auch in Könnern der um die Kirche liegende, mit einer Lehmmauer eingefriedete Kirchhof zu Beerdigungen benutzt. Im 16. Jahrhundert wurden einzelne Stimmen laut, die diese Sitte für gesundheitsgefährlich erklärten, namentlich zu Zeiten, in denen Seuchen herrschten. Dem Rat von Könnern standen damals schwerlich Mittel zur Verfügung, um einen neuen Friedhof anzulegen. Durch Privatwohltätigkeit konnte in den Jahren von 1589 bis 1591 vor der Stadt in der Nähe des Trögnitzer Tores ein neuer Friedhof eingerichtet werden. Auf diesem Gelände steht heute der Komplex der Schule und noch vorhandene Grabsteine zeugen von dieser historischen Anlage.
Schon im 16. Jahrhundert bestand in Könnern eine öffentliche Badestube. Der Bader wurde verpflichtet, alle 14 Tage Bad zu halten und war berechtigt, neben dem festgesetzten Bade Geld Gebühren für Heilung eines Beinbruchs und für einen ersten Verband zu erheben. Es möge hier erwähnt werden, dass die letzte private Badeeinrichtung in Könnern, die auch medizinische Bäder verabreichen konnte, ca. 1948 den Betrieb einstellte.
Der Schrecken des Dreißigjährigen Krieges formten aus Könnern einen Ruinenhaufen und jahrelange Anhäufung von Unrat nebst der Vermehrung von Ungeziefer begünstigte die Ausbreitung von Seuchen. Nachweislich gab es schon Ende des 17. Jahrhunderts Chirurgen als Vertreter den ältesten Zweigen der Medizin, der sich vorwiegend mit operativen Behandlungen von Krankheiten und Schädigungen befasste, in Könnern.
Als bemerkenswerter Bürger der Stadt sei der Chirurg Immanuel Heinrich Haertel erwähnt, der zu Händels Zeiten lebte und ein großer Verehrer dessen Musik war. Die Einkünfte eines Arztes in dieser Zeit waren noch recht karg und I. H. Haertel sorgte daher zusätzlich als Bauherr und Barbier für den Lebensunterhalt seiner Familie. Seine drei Söhne ergriffen ebenfalls den Beruf einen Chirurgen, wovon der älteste sich in Kreisen höchster Offiziere, Barone, Grafen und Fürsten weit weg in Italien, Griechenland, Klein anken und Russland bewegte und Kunden aus fernen Ländern nach Könnern brachte.
In 18. Jahrhundert war Könnern Garnison für zwei Kompanien preußischer Soldaten und am Ende des Siebenjährigen Krieges wurde im Ort eine Invalidenkompanie aufgestellt, die zum Garnison-Bataillon Nr. IV gehörte.
Urkundlich wird in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts in Könnern eine Apotheke ausgewiesen, die als "Adler-Apotheke" noch heute existiert und pharmazeutisches Versorgungszentrum für die Stadt und das ländliche Siedlungsgebiet im Südteil des Landkreises Bernburg ist.
Ein neues Hospital entstand 1861 als Ersatz für das schon im 16. Jahrhundert erwähnte Hospital vor dem Bernburger Tor in der Oberen Braunschweiger Straße von Könnern, im damals idyllischen Randgebiet der Stadt.
© Hospital St. Antonie
Nach Möckel's Adreß- u. Auskunftsbücher Cönnern a.d. Saale sorgten um 1880 zwei Ärzte, ein Bandagist und zwei Masseure für eine medizinische Betreuung der Bevölkerung. Ein Zahnarzt fehlte derzeit in der Stadt. Den veterinärmedizinischen Fragen stand ein Tierarzt zur Verfügung.
Eine Gefahrenquelle auf dem Gebiete des Gesundheitswesens wurde in Könnern im Jahre 1912 mit der Zuschüttung der Brunnen und dem Bau einer zentralen Wasserleitung beseitigt. An der Straße zwischen den Orten Nelben und Gnölbzig sammelten Brunnen das aus dem Hügelgelände um Strenznaundorf zu Tal drückende Wasser von einst erfrischender Qualität. Große Fortschritte auf sanitärem Gebiet war die Erweiterung der Stadtentwässerung in den Folgejahren.
In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts verfügte Könnern in der Zeit der höchsten Infrastruktur auf dem Gebiet des Gesundheitswesens über 6 praktische Ärzte, 4 Zahnärzte und drei Tierärzte. Gegen Ende des 2. Weltkrieges diente das Gebäude der damaligen Mittelschule (heutige Grundschule) als Hilfslazarett.
Mittelschule (Thorwestschule) Aufnahme ca. 1910
Nach 1945 und den ersten Notmaßnahmen ging man in Könnern systematisch an den Aufbau eines leistungsfähigen Allgemein – Krankenhauses und eines Landambulatoriums. Die in ihren Anfängen von Herrn Dr. med. Odemar als Hilfskrankenhaus geschaffene Einrichtung wurde von Herrn Dr. med. Grüger übernommen und zu einer der vorbildlichsten Stätten des Gesundheitswesens im Kreisgebiet ausgebaut und 1950 eingeweiht.
Landambulatorium und ehemalige Villa vom Kommerzienrat Meyer
Villa der Familie Thorwest - später Krankenhaus
Im 6. Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts erlebten die geschaffenen Einrichtungen des Gesundheitswesens in Könnern die Zeit der größten medizinischen Effektivität. Eine chirurgische Abteilung mit OP Saal und die geschaffene Entbindungsstation besaßen derzeit bemerkenswerte Popularität. 1954 konnten z.B. 420 operative Eingriffe durchgeführt werden und in den ersten fünf Jahren ihres Bestehens erblickten in der Entbindungsstation fast 1000 Kinder das Licht der Welt.
ehemalige Krankenhaus mit OP Saal und Endbindungsstation in der Bahnhofstraße
Könnern und die umliegenden Orte erhielten Schwesterstationen und durch die Einstellung von Fürsorgerinnen konnte die vorsorgende Gesundheitsbetreuung entwickelt werden, die sich in der Senkung der Säuglingssterblichkeit, in der Betreuung der Schulkinder und der werdenden Mütter segensreich auswirkte. Dem Ärzteteam standen qualifizierte Hilfskräfte und zwei Sanitätskraftwagen für Krankentransporte zur Verfügung.
Politischer Druck und die zunehmende Verstaatlichung von Privatpraxen veranlassten in der Folgezeit eine Reihe von Ärzten, Könnern und das damalige Territorium der DDR zu verlassen. Das Krankenhaus in Könnern verlor recht schnell durch die Zentralisierungspraxis der sozialistischen Planwirtschaft seine einstige Bedeutung und war nur in begrenztem Maße noch wirksam.
Der häufige Wechsel von Ärzten speziell in der stomatologischen Abteilung schmälerte den Kontakt zu den Patienten und erst ein nach langen Jahren 1983 fertiggestellter und eingeweihter Erweiterungsbau des Landambulatoriums schuf die Voraussetzung für die Erhöhung der Leistungen dieser medizinischen Einrichtung für das gesamte Einzugsgebiet von Könnern.
Die politische Wende 1989/90 und die darauf folgende Wiedervereinigung beider deutscher Teilstaaten brachten auch dem Gesundheitswesen wirtschaftliche Veränderungen durch die Ablösung der sozialistischen Planwirtschaft durch eine soziale und freie Marktwirtschaft. Bemühungen um die Existenzsicherung für das Landambulatorium trugen keine Früchte und das Landambulatorium als Einrichtung des Gesundheitswesens ging seiner wirtschaftlichen Niederlage entgegen.
Als 1. Abteilung eröffnete bereits am 2. April 1991 im Hause die heutige Fachpraxis für Orthopädie. Es war der Beginn des Überganges vom Landambulatorium zum Ärztehaus in Könnern.
Am 30. Juni 1991 wurde im Hof des Rathauses die Diakoniestation Könnern des evangelischen Kirchenkreises feierlich eingeweiht. Neun Schwestern übernahmen die Dienste der Schwestern aus dem am 1. Juli 1991 in seiner Existenz aufhörenden Landambulatoriums. Neben der häuslichen Krankenpflege bietet die Station alterspflegerische Tätigkeiten in einem Versorgungsbereich, zu dem neben Könnern auch Trebnitz, Gnölbzig, Zickeritz, Domnitz, Edlau, Wiendorf, Gerlebogk und Lebendorf gehören.
In zügiger Folge eröffneten die Ärzte von Könnern und neu hinzugekommenen Ihre Privatpraxen in den Räumen des ehemaligen Landambulatoriums, im heutigen Ärztehaus, so dass vier allgemeinmedizinische Praxen, eine Praxis für Kinderheilkunde, die schon erwähnte Orthopädische Praxis, eine Praxisgemeinschaft Physiotherapie und der Zahnarztpraxen für die medizinische Betreuung der Bevölkerung zur Verfügung stehen.
Ferner wurde am 4. November 1991 im Ärztehaus ein Bürgerberatungs- und Informationszentrum eröffnet und Büros der KKH, DAK und AOK eingerichtet.
Das Gebäude des einst populären Krankenhauses ist noch bis zum 31. März 1992 als Pflegestation wirksam und geht danach in den ehemaligen Privatbesitz zurück.
heutiges Landambulatorium in der Bahnhofstraße